2001 sass ich vor dem Fernseher und sah zum ersten Mal den Dokumentarfilm War Photographer über den mehrfach prämierten Kriegsfotografen James Nachtwey. Ich war damals noch weit davon entfernt, selbst als Fotograf zu arbeiten, aber die Bilder und die Haltung dieses Films haben sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt. Es war nicht die Schockwirkung, die mich getroffen hat, sondern die Klarheit, mit der Fotografie hier als Sprache erkennbar wurde – eine Sprache, die Geschichten transportiert, die sonst nicht gehört würden.
Dieser Film hat in mir den Wunsch geweckt, selbst mit Bildern zu arbeiten. Er hat mir gezeigt, dass Fotografie kein Selbstzweck ist und weit mehr bedeutet als das Festhalten eines Moments. Sie ist ein Werkzeug, um Sichtbarkeit zu schaffen, Menschen eine Stimme zu geben und Erlebnisse in die Welt hinauszutragen.
Ein Zitat, das bleibt
Ein Satz aus dem Film – zu hören bei Minute 28:30 – begleitet mich bis heute: «Sie verstehen, dass ein Fremder, der mit einer Kamera dorthin kommt, um dem Rest der Welt zu zeigen, was mit ihnen geschieht, ihnen eine Stimme in der Aussenwelt gibt, die sie sonst nicht hätten.»
Dieses Zitat verdichtet, was Fotografie leisten kann: Sie gibt Menschen eine Stimme, die sie selbst oft nicht erheben können. Sie macht sichtbar, was sonst im Verborgenen bliebe. Sie schafft Verbindungen zwischen denen, die etwas erleben, und denen, die davon erfahren sollen.
Bilder als Erzähler
Diese Erkenntnis hat mich geprägt und bestimmt bis heute meine fotografische Haltung. Auch wenn ich kein klassischer Reportagefotograf bin, bleibt die Idee bestehen: Ein Bild muss mehr sein als eine schöne Oberfläche. Es muss eine Geschichte tragen.
In meinen Character Portraits geht es genau darum – die Persönlichkeit eines Menschen sichtbar zu machen, nicht nur sein Gesicht. In Business Portraits liegt der Fokus auf Professionalität und Wirkung, aber auch hier steht die Geschichte im Zentrum: Wer ist die Person hinter dem Titel? Und beim Personal Branding ist es noch offensichtlicher – Bilder sind ein zentrales Element, um Haltung, Werte und Authentizität nach aussen zu zeigen.
Ein starkes Portrait erzählt mehr als jede Beschreibung im Lebenslauf oder auf einer Website. Es zeigt Selbstvertrauen, Verletzlichkeit, Stärke, Klarheit – und genau das macht es so wertvoll.
Warum Bilder mehr bewirken als Worte
Sprache kann erklären. Bilder können überzeugen. Der Unterschied liegt darin, dass wir visuelle Eindrücke unmittelbarer und emotionaler verarbeiten. Ein gutes Bild bleibt haften, weil es nicht nur informiert, sondern bewegt.
Darum sind Portraits nicht nur ein ästhetisches Produkt, sondern ein Kommunikationsmittel. Sie sind Teil einer persönlichen oder unternehmerischen Geschichte. Sie bestimmen, wie jemand wahrgenommen wird – ob nahbar, souverän, inspirierend oder kraftvoll.
Dokumentarische Ansätze im Kleinen
Trotz meiner Fokussierung auf Portraits hat mich die dokumentarische Idee aus War Photographer nie losgelassen. Immer wieder suche ich Gelegenheiten, um Ereignisse oder Themen zu begleiten, die mir wichtig sind. Dabei geht es nicht um Aufträge, sondern um die Verantwortung, Dinge sichtbar zu machen, die sonst vielleicht unbeachtet bleiben würden.
Für mich ist das eine Art Rückbesinnung auf den Kern der Fotografie: genau hinzuschauen, Zeugnis abzulegen, Realität zu zeigen, ohne sie zu beschönigen. Diese Haltung fliesst auch in meine Auftragsarbeiten ein – selbst ein Business Portrait kann dokumentarische Elemente tragen, wenn es ehrlich, authentisch und unverstellt bleibt.
Fotografie als Verantwortung
Der Film War Photographer hat mir vor mehr als zwanzig Jahren gezeigt, dass Fotografie Verantwortung bedeutet. Sie ist Ausdruck, Erinnerung und Kommunikation. Sie trägt Geschichten in die Welt, gibt Menschen Sichtbarkeit und formt Bilder, die über den Moment hinaus wirken.
Genau deshalb sehe ich auch meine Arbeit so: Ob es ein Charakterportrait, ein Business-Portrait, Personal Branding oder eine Hochzeitsreportage ist – jedes Bild ist Teil einer Geschichte, die erzählt werden will. Und jedes gute Bild trägt dazu bei, dass diese Geschichte gesehen und verstanden wird.
For me the strength of photography lies in its ability to evoke humanity. If war is an attempt to negate humanity, then photography can be perceived as the opposite of war.
James Nachtwey